Das neue Betreuungsrecht

Die rechtliche Betreuung ist ein flexibles Rechtsinstrument zur Unterstützung von Erwachsenen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht (mehr) besorgen können. Der Betreuer unterstützt die betreute Person dabei, ihre Angelegenheiten rechtlich selbst zu besorgen und macht von seiner Vertretungsmacht nur Gebrauch, soweit dies erforderlich ist. Ein Betreuer kann nach § 1814 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nur bestellt werden, wenn bei der betroffenen Person ein Unterstützungsbedarf besteht, der auf einer Krankheit oder Behinderung beruht. Sowohl körperliche als auch psychische Krankheiten sind von diesem Begriff umfasst.

Die rechtliche Betreuung ist keine Entrechtung. Die Entmündigung Volljähriger ist in Deutschland seit 1992 abgeschafft. Eine Betreuerbestellung hat nicht zur Folge, dass die betreute Person geschäftsunfähig oder einwilligungsunfähig wird. Wie vor der Anordnung der Betreuung können geschäfts- und einwilligungsfähige betreute Menschen grundsätzlich weiterhin selbst ihre Entscheidungen treffen und Geschäfte tätigen sowie alle rechtlich relevanten Erklärungen selbst abgeben.

Das neue Betreuungsrecht ab dem 1. Januar 2023 stärkt die Selbstbestimmung betreuter Menschen und stellt ihre Wünsche in den Mittelpunkt des Betreuerhandelns. Der Betreuer hat die Angelegenheiten der betreuten
Person so wahrzunehmen, dass diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten kann (§ 1821 Abs. 2 BGB). Dazu gehört insbesondere, dass er die betreute Person dabei unterstützt, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen, und dass er von seiner Vertretungsmacht nur Gebrauch macht, soweit dies erforderlich ist. Der Betreuer darf in keinem Fall über den Kopf einer betreuten Person hinweg entscheiden. Der Betreuer muss sich durch regelmäßige persönliche Kontakte und Besprechung anstehender Entscheidungen ein Bild davon machen, welche Vorstellungen und Wünsche die betreute Person hat und was sie nicht will. Den festgestellten Wünschen der betreuten Person hat der Betreuer in den gesetzlich festgelegten Grenzen zu entsprechen und sie bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen.
Die Pflicht zur Wunschbefolgung gilt grundsätzlich auch bei der Entscheidung des Betreuungsgerichts, wer zum
gesetzlichen Betreuer bestellt wird.

Das neue Betreuungsrecht macht die Wünsche betreuter Menschen zum zentralen Maßstab für die Aufsicht und Kontrolle durch die Betreuungsgerichte. Die Aufsichtsführung orientiert sich seit dem 1. Januar 2023 primär am Maßstab der Wünsche der betreuten Person, §§ 1862 in Verbindung mit 1821 BGB. Damit das Betreuungsgericht die Einhaltung dieser Maxime überprüfen kann, muss es die Wünsche betreuter Menschen kennen. Mit dem Reformgesetz wurden die Anforderungen an die vom Betreuer bei Gericht einzureichenden Berichte daher klarer formuliert. Diese Berichte liefern den zuständigen Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern wichtige Anhaltspunkte für die Sichtweise der betreuten Person und einen Einblick in deren persönliche Lebenssituation. So kann das Gericht prüfen, ob der Betreuer seine Betreuungsführung am Leitbild des § 1821 BGB ausrichtet. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Betreuer den Wünschen der betreuten Person nicht oder nicht in geeigneter Weise nachkommt, besteht ab 1. Januar 2023 grundsätzlich die Pflicht der zuständigen Rechtspflegerin oder des zuständigen Rechtspflegers, die betreute Person persönlich anzuhören. Der Schutz höchstpersönlicher Lebensbereiche betreuter Menschen ist stärker ausgestaltet als bisher. Dies gilt insbesondere für die selbst genutzte Wohnung als persönlichem Lebensmittelpunkt. Die Aufgabe dieses Wohnraums ist nach der neuen Vorschrift des § 1833 BGB grundsätzlich nur zulässig, wenn sie dem Willen der betreuten Person entspricht. Der Betreuer hat zudem die Absicht, selbst genutzten Wohnraum der betreuten Person aufzugeben, dem Betreuungsgericht unter Angabe der Gründe und der Sichtweise der betreuten Person unverzüglich anzuzeigen.
Damit werden eine gerichtliche Überprüfung der beabsichtigten Wohnungsaufgabe und ggf. ein Eingreifen des Betreuungsgerichts im Rahmen der Aufsicht zum Schutz der betreuten Person ermöglicht.

Das neue Betreuungsrecht stellt deutlicher klar, dass eine Betreuung nur eingerichtet wird, wenn andere Hilfen ausgeschöpft sind und nicht ausreichen. Vorrangig zu nutzen sind rein tatsächliche Unterstützungsleistungen durch Familienangehörige, Bekannte oder soziale Dienste. Diese können z.B. beim Ausfüllen von Anträgen (Rente, Sozialleistungen) oder der Steuererklärung helfen. Schuldnerberatungsstellen können Vermögensfragen klären. Aber auch im Übrigen haben alle Formen der Beratung und Unterstützung, die auf sozialrechtlichen Vorschriften beruhen, Vorrang vor der Bestellung eines rechtlichen Betreuers. Die Betreuungsbehörden erhalten zudem mit dem neuen Instrument der erweiterten Unterstützung (§ 8 Abs. 2 und § 11 Abs. 3 des Betreuungsorganisationsgesetzes (BtOG)) den gesetzlichen Auftrag, betroffene Menschen in geeigneten Fällen so zu unterstützen, dass hierdurch eine rechtliche Betreuung entbehrlich wird. Die Inanspruchnahme anderer Hilfen reicht allerdings nicht aus, wenn auch eine rechtsgeschäftliche Vertretung der betroffenen Person erforderlich ist. Will man die Bestellung eines Betreuers möglichst sicher vermeiden, kann dies durch Erteilung einer Vorsorgevollmacht an eine Vertrauensperson bewirkt werden.

Das neue Betreuungsrecht verbessert die Qualität der beruflichen Betreuung durch Einführung eines Mindeststandards für den Zugang zum Betreuerberuf. Ab dem 1. Januar 2023 werden alle beruflichen Betreuer von der Betreuungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich sich ihr Sitz bzw. hilfsweise ihr Wohnsitz befindet (Stammbehörde), registriert. Die Registrierung ist zwingende Voraussetzung für die Bestellung als Betreuer durch das Betreuungsgericht und für den Anspruch auf Vergütung. Als beruflicher Betreuer kann sich nach § 23 BtOG nur registrieren lassen, wer über die hierfür erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit verfügt, eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer nachgewiesen und eine Berufshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden mit einer Mindestversicherungssumme von 250 000 EUR pro Versicherungsfall und von 1 000 000 EUR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres abgeschlossen hat. Die für die Registrierung gegenüber der Stammbehörde durch Unterlagen nachzuweisende Sachkunde ist der neue Mindeststandard für berufliche Betreuer. Sie umfasst Kenntnisse des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, des dazugehörigen Verfahrensrechts sowie auf den Gebieten der Personen- und Vermögenssorge, Kenntnisse des sozialrechtlichen Unterstützungssystems und Kenntnisse der Kommunikation mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen und von Methoden zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung (§ 23 Abs. 3 BtOG).

Das neue Betreuungsrecht stellt ehrenamtlichen Betreuern kompetente Ansprechpartner zur Seite. Das neue Betreuungsrecht sieht für ehrenamtliche Betreuer die Möglichkeit vor, mit einem anerkannten Betreuungsverein eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung abzuschließen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Vereine führen unter anderem Betreuungen. Betreuungsvereine leisten daneben auch andere Aufgaben, zu denen gehört, ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen, sie in ihre Aufgaben einzuführen und fortzubilden. „Ehrenamtliche Betreuer, die keine familiäre Beziehung oder persönliche Bindung zum Betreuten haben, dürfen in der Regel nur bestellt werden, wenn sie eine solche Vereinbarung nachweisen. Für ehrenamtliche Betreuer mit familiärer Beziehung oder persönlicher Bindung zur betreuten Person ist der Abschluss einer solchen Vereinbarung möglich und im Bedarfsfall zu empfehlen. Denn hierdurch wird eine konstante kompetente Beratung und Unterstützung durch erfahrene Fachkräfte sichergestellt.

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